Wachstumsaktien und Growth Investing | comdirect Magazin (2024)

Der Kauf von Aktien ist in den letzten Jahren immer beliebter geworden. Und dennoch streiten Börsenanleger auch heute noch über die besten Anlagestrategien. Egal, ob Börsenprofi oder Einsteiger – mittlerweile existieren zahlreiche Methoden, die den vermeintlich großen Gewinn beim Aktiengeschäft versprechen. Eine davon ist das sogenannte Growth Investing. Bei dieser Vorgehensweise spielen Wachstumsaktien eine entscheidende Rolle. Wir zeigen, was hinter der Strategie des Growth Investing steckt und erklären, was Wachstumsaktien sind und welche Vor- und Nachteile sie bieten.

Wachstumsaktien – Definition und Bedeutung

Einzelne Unternehmen entwickeln sich manchmal besser als der Durchschnitt. Häufig erschließen sogenannte Wachstumsunternehmen mit ihren innovativen Geschäftsmodellen oder neuen Produkten und Dienstleistungen auch ganz neue Märkte und Branchen. Eine solche positive Entwicklung bekommen oft auch die Aktionäre zu spüren, da durch höhere Einnahmen und Gewinne häufig auch der Aktienkurs und damit die Rendite steigt.

Die Aktien eines über einen längeren Zeitraum überdurchschnittlich erfolgreichen Unternehmens werden daher als Wachstumsaktien bezeichnet.

Die Abgrenzung von echtem Wachstum zu reinen Spekulationen ist oft nicht einfach, da für das Wachstum der erwartete Gewinn eine Rolle spielt. Dieser lässt sich in der Regel jedoch nicht sicher vorhersagen. Um Wachstumsunternehmen besser identifizieren zu können, haben sich die folgenden Merkmale bewährt:

  • Umsatzsteigerung von jeweils mindestens 20 % in den vergangenen drei Jahren
  • erkennbare Wettbewerbsvorteile
  • überdurchschnittliche Marktbewertung

Gut zu wissen: Da der Aktienmarkt auch global beeinflusst wird, wird im deutschen Sprachgebrauch häufig die englische Bezeichnung Growth-Aktien verwendet. Growth bedeutet Wachstum.

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Was ist Growth Investing?

Eng verbunden mit Wachstumsaktien ist die Anlagestrategie des Growth Investing (engl. für „in Wachstum investieren“). Sie geht auf Philip Fisher zurück, der nach dem Aktiencrash 1929 keine Angst vor teuren Aktien hatte. Im Gegenteil: Seine Erfahrung zeigte, dass er mit überdurchschnittlich erfolgreichen Unternehmensanteilen auch starke Einbrüche auf dem Aktienmarkt aussitzen und Gewinne erzielen konnte.

Beim Growth Investment geht es also nicht darum, ob das Unternehmen aktuell schon Gewinne erzielt. Auch das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ist beim Growth Investing eher Nebensache. Viel wichtiger sind die für die Zukunft erwarteten Gewinne. Deshalb setzen Growth-Anhänger bei der Auswahl der richtigen Aktien auf die sogenannte PEG-Ratio (price earnings to growth).

Exkurs: KGV – Kurs-Gewinn-Verhältnis kurz erklärt

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist eine der bekanntesten Kennzahlen der Fundamentanalyse. Es berechnet sich, indem der Aktienkurs durch den Unternehmensgewinn je Aktie geteilt wird. Generell gelten Kurs-Gewinn-Verhältnisse von unter zehn als günstig. Allerdings bietet auch diese Kennzahl keine absoluter Sicherheit, da der erwartete Gewinn nur geschätzt wird.

KGV=Aktienkurs / (Gewinn pro Aktie)

Bei einem Aktienkurs von 70 Euro und einem Gewinn je Aktie von 8 Euro liegt das KGV bei 8,75 und gilt damit als günstig.

Exkurs: PEG-Ratio kurz erklärt

Anhand der PEG-Ratio (Price-Earnings-to-Growth-Ratio) lässt sich beurteilen, ob eine Aktie fair bewertet wird. Dafür müssen KGV und erwartete Wachstumsrate gleich hoch sein.

KGV höher als erwartete Wachstumsrate = Wert > 1→ die Aktie ist überbewertet
KGV niedriger als erwartete Wachstumsrate = Wert < 1→ Aktie ist unterbewertet
KGV und erwartete Wachstumsrate gleich = Wert von 1→ Aktie ist fair bewertet

Zur Berechnung des PEG wird das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis in Relation zum langfristig erwarteten Gewinnwachstum gesetzt. Dabei werden in der Regel die nächsten 3 bis 5 Jahre betrachtet.

PEG=KGV / durchschnittlich etwartetes Gewinnwachstum

Beispielaktie A hat ein recht hohes KGV von 30. Das durchschnittlich erwartete Gewinnwachstum der nächsten 5 Jahre soll bei 50 % liegen. Der Wert der PEG-Ratio liegt bei 0,6 und zeigt, dass die Aktie unterbewertet und damit sehr günstig ist.

Fehlentscheidungen können bei Growth-Aktien können allerdings auch zu hohen Verlusten bis hin zum Totalverlust führen. Wer Wachstumsaktien im Depot hat, muss deshalb schnell reagieren, wenn ein bisheriger Gewinner an Schwung verliert.

Um die spezifischen Risiken des Growth Investing in den Griff zu bekommen, hat Begründer Philip Fisher einige Verhaltensregeln für Investoren aufgestellt:

  1. Schließe keinen Titel wegen der Größe oder des Anlagesegments aus dem Anlageuniversum aus.
  2. Lass dich nicht von einer Investmentstory emotional mitreißen.
  3. Sei bei dem Kaufpreis von Wachstumsaktien nicht engstirnig.
  4. Investiere nicht in Neugründungen ohne ausreichende Erfahrung.

Gut zu wissen: Eine „gegenläufige“ Anlagestrategie ist das sogenannte Value Investing. Dabei setzen Anleger auf Aktien, die im Gegensatz zu Wachstumsaktien nur ein geringes Wachstum aufweisen – im Gegenzug dafür aber wertstabiler sind.

Doch auch Anleger, die diese vermeintlichen Gewinnerregeln beachten, sind nicht vor Verlusten und Kursschwankungen geschützt. Wie bei jeder anderen Anlagestrategie gilt auch bei Growth Investments: Wachstumsaktien mit vermeintlichen Gewinnversprechen können am Ende zu Verlusten im Depot führen. Denn niemand kann die wirtschaftlichen und unternehmensabhängigen Entwicklungen ganz genau vorhersagen.

Wachstumsaktien finden

So vielversprechend die Anlagestrategie rund um die Wachstumsunternehmen auch klingt – die Suche nach den Wachstumsaktien der Zukunft kann schwierig sein, da die wirtschaftlichen Trends und Entwicklungen möglicher Wachstumsbranchen nicht immer vorhersehbar sind.

Einige Bereiche haben in den vergangenen Jahren jedoch besonders viele Unternehmen mit überdurchschnittlichem Wachstum hervorgebracht. Dazu zählten insbesondere Telefongesellschaften, aber auch Medien- und Logistikdienstleister. Vor allem um die Jahrtausendwende verzeichneten sie ein exponentielles Wachstum.

Seitdem hat sich jedoch einiges geändert. Die besten Unternehmen aus diesen Branchen verzeichnen inzwischen stabile Gewinne, aber eher schwache Steigerungen beim Umsatz. Deshalb zählen sie mittlerweile eher zu den Value Aktien. Seit geraumer Zeit stehen Aktien aus den Bereichen Biotechnologie, E-Commerce und Hightech auf den Kauflisten der Growth-Investoren. Durch die rasante Entwicklung von Forschung und Technik haben Unternehmen aus diesen Bereichen in den vergangenen Jahren besonders viele Wachstumsaktien hervorgebracht.

Beispiele für Wachstumsbranchen der vergangenen Jahre

Die rasche Entwicklung der Technik hat in vielen Bereichen für einen wahren Boom gesorgt. Einige Branchen haben davon besonders profitiert und in den vergangenen Jahren zahlreiche Wachstumsaktien hervorgebracht.

1. E-Commerce

Immer mehr Menschen kaufen heute im Internet ein. Ganz egal, ob Kleidung, Möbel oder Lebensmittel –Onlineshopping boomt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass besonders viele Unternehmen, die in die Kategorie des elektronischen Handels fallen, in den letzten Jahren überdurchschnittlich gewachsen sind.

2. Streaming-Dienste

Unser klassisches Fernseh- und Radioprogramm wurde in den vergangenen Jahren durch zahlreiche Streaming-Dienste ergänzt. Und die Nutzerzahlen steigen weiter. Die Streaming-Branche hat sich deshalb über die Jahre zu einer beliebten Wachstumsbranche entwickelt. Doch auch unter den Streaming-Anbietern ist der Konkurrenzdruck enorm. Zudem ist die Branche besonders schnelllebig, weshalb die Kurse vermeintlicher Wachstumsaktien auch schnell wieder an Wert verlieren können.

3. Cloud-Anbieter

Wir produzieren täglich unfassbar große Datenmengen. Egal, ob privat oder bei der Arbeit – auch diese Datenmengen müssen sicher gespeichert werden. Die klassischen Festplatten und große Rechenzentren haben dafür jedoch ausgedient. Heute werden sie durch Cloud-basierte-Speicherdienste ersetzt. Das führte gerade zu Beginn des Cloud-Booms zu einem starken Wachstum, was wiederum bei einigen Unternehmen für Wachstum sorgte.

Unser Tipp: Die Entwicklungen der einzelnen Branchen können schnelllebig sein. Insbesondere der rasante Fortschritt der Technik trägt dazu bei. Schnell wachsende Unternehmen mit großem Wachstum können auch schnell wieder einen Abwärtstrend verzeichnen. Ein starkes Wachstum ist daher nicht zwingend mit steigenden Aktienkursen gleichzusetzen.

Vor- und Nachteile von Wachstumsaktien

Wachstumsaktien erfreuen sich bei Anlegern mittlerweile großer Beliebtheit. Doch sie bringen Vor- und Nachteile mit sich.

VorteileNachteile
Steigende Aktienkurse durch Investition des Unternehmens in das eigene Unternehmen.Hohes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV).
Überdurchschnittliche Rendite möglich.Höheres Verlustrisiko.
Automatische Wiederanlage und steuerliche Besserstellung gegenüber Dividenden.Keine oder nur geringe Dividende.

Vorteile von Wachstumsaktien

Im Vergleich zu Value-Aktien steigt der Aktienkurs bei Wachstumsaktien schneller. Das liegt unter anderem daran, dass Wachstumsunternehmen ihre Gewinne in der Regel ausschließlich in das eigene Unternehmen investieren. Dadurch steigt häufig auch der Aktienkurs. Im Vergleich zu herkömmlichen Aktien können durch das schnelle und anhaltende Wachstum oft auch überdurchschnittliche Renditen erzielt werden. Zudem bieten Wachstumsaktien den Vorteil einer automatischen Wiederanlage. Da Aktionären in der Regel keine Dividende gezahlt wird, sondern der Betrag direkt wieder in das Unternehmen investiert wird, müssen Anleger bei Wachstumsaktien nicht weiter tätig werden. Zudem müssen Dividenden, die über dem Freibetrag liegen, versteuert werden. Diese Steuerpflicht entfällt bei Wachstumsaktien, da keine Dividenden gezahlt werden.

Nachteile von Wachstumsaktien

Im Vergleich zu Value-Aktien besitzen Wachstumsaktien ein besonders hohes KGV. Dieser Wert schreckt in der Regel viele Anleger ab. Zudem zahlen Unternehmen mit einem überdurchschnittlichen Wachstum keine oder nur sehr geringe Dividenden, da die Gewinne in der Regel in das eigene Unternehmen investiert werden. Wachstumsaktien mit Dividenden sind daher eher eine Seltenheit.

Daneben sorgt die rasante Entwicklung der vermeintlichen Wachstumsbranchen, beispielsweise E-Commerce, Biotechnologie und Hochtechnologie, für ein größeres Risiko. Denn häufig können wachsende Unternehmen ihre Gewinnerwartungen für die kommenden Jahre nicht mehr erfüllen. Befindet sich eine vermeintliche Wachstumsaktie im freien Fall, müssen Anleger besonders schnell handeln, um die Verluste möglichst gering zu halten.

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Fazit

Wachstumsaktien bieten ein hohes Potential – bringen gleichzeitig jedoch auch ein großes Risiko mit sich. Denn für Anleger ist es oft nicht einfach zwischen echtem Wachstum und reiner Spekulation zu unterscheiden. Zudem kann das prognostizierte Wachstum häufig nicht gehalten werden. Auch unerwartete Entscheidungen der Führungsebene können den Kurs der Wachstumsaktie abrutschen lassen. Wer mit Growth Investing auf Wachstumsunternehmen setzen möchte, sollte sich deshalb genau über Vor- und Nachteile informieren und die Risiken nicht außer Betracht lassen.

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Wertpapiere unterliegen Kursschwankungen; damit sind Kursverluste möglich. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Bei Wertpapieren in ausländischer Währung kann es zu Wertverlusten durch Wechselkursveränderungen kommen. Dieser Text dient ausschließlich Informationszwecken und stellt kein Angebot, keine Aufforderung und keine Anlageempfehlung dar. Sie soll lediglich Ihre selbstständige Anlageentscheidung erleichtern und ersetzt keine anleger- und anlagegerechte Beratung.

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Author: Patricia Veum II

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